Jubel-Trubel-Heiterkeit oder doch nicht…?

Jubel-Trubel-Heiterkeit oder doch nicht …? Die Stomaversorgung-Realität 2015
Unser Anspruch und das ist die Wirklichkeit?

Wir werden immer selbstbewusster, informieren uns, und nehmen unser Wahlrecht (Hilfsmittel) sehr aktiv wahr. Aber was nützt uns das, wenn dem Gegenüber die immer niedrigeren Vergütungs-Pauschalen der Krankenkassen stehen, die bereits jetzt schon zu Einschränkungen in unserem Wahlrecht führen. Tendenzen, die verschiedener und gegensätzlicher kaum sein können, und für hitzige Diskussionen im neuen Jahr sorgen werden.

Die Rechtslage und der Anspruch

Ganz gleich, ob nun eine ein-/ zweiteilige Stomaversorgung, Basisplatten, Beutel, Ringe/Pasten und anderes Zubehör, es handelt sich dabei immer „zum Verbrauch bestimmte Hilfsmittel“ auf die ein Anspruch nach (§33 SGB V) als Sachleistung besteht. Nach dem Wirtschaftlichkeitsfaktor wird dieser Anspruch als, „ausreichende sowie zweckmäßige und wirtschaftliche Hilfsmittel-Versorgung“ nach (§12 SGB V) beschrieben. Das ist die gesetzliche Grundlage. Was heißt das aber, in der Praxis? Dazu reicht schon eine Befragung, innerhalb einer Stoma-Selbsthilfegruppe aus, und schon werden die Unterschiede deutlich.

Denn es finden sich kaum mehr als 2 Stomaträger/innen, wo die Versorgung genau gleich ist. Das Stoma ist bei Jedem unterschiedlich groß, mal ist es rund und es passen die vorgestanzten Basisplatten, dann wieder ist es oval und Basisplatten müssen vorher erst angepasst, also zugeschnitten werden. Ein Anderer braucht zusätzliches Hautschutzmaterial (Hautschutztücher) und/oder eine gewölbte (konvex) Basisplatte oder Versorgung, weil das Stoma in einer Bauchfalte liegt. Der eine hat einen Colostoma, leidet unter ständigem Durchfall, wegen seiner Chemo-Behandlung und braucht Ausstreifbeutel, die aber wiederum für ein Ileostoma gedacht sind. Daher ist die Stomaversorgung eine ganz individuelle Sache, und damit haben wir Stomaträger/innen auch einen Anspruch auf die Hilfsmittel, die wir zur Versorgung des Stomas auch tatsächlich benötigen.

Die Entwicklung der Pauschalen

Es entstehen dabei unterschiedlich hohe Kosten, die jeden Monat von Krankenkassen beglichen werden. Damit es für die Kassen einfacher ist, haben viele Krankenkassen die Versorgungs-Pauschalen eingeführt. Diese liegt zurzeit zwischen knapp 220 € und 240 €, bei einigen Kassen liegt diese Pauschale auch darunter. Die Pauschale basiert auf einen fiktiven“ Muster-Patienten! (Stomaträger) mit durchschnittlichem Versorgungs-Bedarf. Muster-Stomaträgerin Maxi Musterhausen hat ein Colostoma und braucht 15 Basisplatten und 90 geschlossene Stoma-Beutel, der Muster-Stomatomaträger Herr Gebhardt hat ein Ileostoma und braucht 30 einteilige Ausstreifbeutel im Monat.

Die Krankenkassen erstatten den Sanitätshäusern und Versorgern (Homecare-Unternehmen), die Versorgungs-Pauschale, ganz gleich, ob nun die tatsächliche Stomaversorgung für jeden Stomaträger/in nun teurer und/oder günstiger geworden ist. Diese Unternehmen haben sich mit der Zeit sehr spezialisiert und betreuen deutlich mehr Stomaträger. Dadurch, dass die Stomaversorgung so individuell und unterschiedlich ist, liegt der eine mit seinem Hilfsmittel-Bedarf nun über der Pauschale und der andere darunter. Am Ende passt es dann es wieder, da die Stomaträger mit weniger Bedarf, die Betroffenen mit einem höheren Bedarf mittragen, dieser Vorgang nennt sich „Mischkalkulation“. Dies stellt sicher, dass jeder/jede Stomaträger/in auch die Stomaversorgung weiterhin bekommt, die auch tatsächlich benötigt wird.

Das Einführen der Stoma-Pauschale hatte auch bis weit nach der Übergangszeit spürbare Auswirkungen, so waren z.B. Stomaträger, die mit einem Verbrauch über der Pauschalvergütung lagen, wurden unter Umständen, zu nicht gern gesehenen Kunden. Einigen Berichten zufolge, wollten sie, wie gewohnt, ihre Dauerverordnung (Rezept) bei ihrem Homecare-Unternehmen abgeben, plötzlich abgewiesen wurden, mit dem Argument, die Krankenkasse würde dieses oder jenes Produkt oder die durch den Arzt verordnete Menge nicht mehr bezahlen. Die Verwirrungen wurde dadurch noch größer, wenn man dann bei seiner Krankenkasse anrief, und zu hören bekam: „Aber selbstverständlich bekommen Sie alles, was Sie benötigen.“ Tja und dann? Für diese doch meist widersprüchlichen Aussagen lag ein Missverständnis zugrunde. Denn bei der Pauschale handelt es sich nicht um einen Maximalbetrag pro/Person, sondern um einen reinen statistischen Durchschnittswert für alle Stomaträger einer Krankenkasse. Daher muss keiner privat zuzahlen, nur weil sein persönlicher Bedarf höher als die Pauschale ist, ebenso bekommt er aber auch keine Gutschrift, wenn weniger Kosten verursacht wurden, als andere.

Die großen Einschnitte blieben zum Glück für uns alle bislang aus, denn jeder von uns erhält derzeitig eine ausreichende Menge an Stoma-Artikeln. Auch die etwas schwierigen Versorgungs-Lagen bei Komplikationen oder berechtigtem und einem hohen Hilfsmittel-Bedarf finden sich zurzeit noch Lösungen. Mit Argusaugen wird derzeit die Anstrengungen einzelner Krankenkassen gesehen, die die Versorgungs-Pauschale unter 200 € senken wollen. Alle wollen weiter sparen, auch die Kassen wollen das, jeder versucht, die Einführung von Zusatzbeiträgen zu vermeiden, keiner will dabei Erster sein, um „König Kunde“ nicht zu verlieren. Dieser Spardruck kann sich aber blitzschnell auf die Versorgungs-Qualität auswirken, denn nur sehr wenige Versorger haben die Produkte aller verfügbaren Hersteller in ihrem Portfolio. Die Auswahl an Hilfsmitteln für uns Stomaträger/innen ist hierzulande größer als je zuvor. Denn zwölf Hersteller bieten ihre Produkte zur Stomaversorgung in vergleichbar guter Qualität an. Das ist auch gut so, denn nur durch diese sehr hohe Produktvielfalt am Markt hat nun jeder Stomaträger die Möglichkeit auf eine deutlich höhere Lebensqualität und das mit einem Stoma.

Das Hilfsmittel-Wahlrecht gegen Kostendruck

Wir haben ein Wahlrecht unter gleichermaßen geeigneten und zum Verbrauch bestimmten Hilfsmittel. Die Ausübung des Wahlrechts ist heute deutlich einfacher, als noch vor vielen Jahren. Denn im Zeitalter des Internets, können sich Stomaträger/innen aller Altersgruppen einfacher, unkomplizierter und umfassender bei allen Herstellern über ihrer Produkte und deren Versorgungsmöglichkeiten informieren, so können Versorgungen getestet, um dann gemeinsam mit seinem Versorger entschieden werden, welches Stoma-Produkt dann zum Schluss zum Einsatz kommt.

Dass von diesem Wahlrecht Gebrauch gemacht wird, zeigt eine nicht repräsentative Umfrage unter ca. 357 Mitgliedern eines Selbsthilfeprotals. Dabei gaben mit 56 %, also knapp mehr als die Hälfte der Befragten an, in den vergangen 2 Jahren Veränderungen an ihrer Stoma-Versorgung vorgenommen zu haben. Genau die Hälfte davon gab als Grund an, dass sie mit der eigenen Versorgungs-Situation sehr unzufrieden waren und selbst tätig wurden. Praktisch wird das Wahlrecht für die Hilfsmittel, immer wieder aus Gründen der Wirtschaftlichkeit eingeschränkt. Es ist nachvollziehbar, wenn einige Versorger ihren Kunden den Wunsch auf ein bestimmtes Stoma-Produkt mit dem Vorschlag auf eine Alternative begegnen, solange diese gleichwertig ist. Zu einer Ablehnung aus wirtschaftlichen Gründen darf es nicht kommen, wenn dadurch die Versorgung zu Gunsten der Lebensqualität des Betroffenen verbessert werden kann. Selbst eine „wirtschaftliche Aufzahlung“, das in Rechnung stellen, genauer eine individuelle Zuzahlung zu verlangen, ist in solchen Fällen nicht zulässig.

Denn der gesetzliche Anspruch an die Versorgung mit Hilfsmitteln zu Stomaversorgung wurde mit Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention durch die Bundesrepublik um den Anspruch auf eine gesellschaftliche Teilhabe erweitert. Damit muss sich eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Stomaversorgung an der Inklusion von Stomaträgern messen lassen. Dem Ganzen steht die Erwartung weiter sinkender Versorgungs-Pauschalen mit deutlichen negativen Folgen für Stomaträger/innen gegenüber. Eine Diskussion, mit viel „Zündstoff“ ist zu erwarten.

*Für verschiedene Produkte in der Hilfsmittel-Versorgung gibt es Festpreise: Der Leistungserbringer erhält nur diesen Preis vom Kostenträger (der Krankenkasse), unabhängig vom empfohlenen Verkaufspreis des Herstellers. „Wirtschaftliche Aufzahlungen“ sind nur bei einer über das notwendige Maß hinausgehenden Versorgung vom Versicherten zu zahlen. „Wählen Versicherte Hilfsmittel oder zusätzliche Leistungen, die über das Maß des Notwendigen hinausgehen, haben sie die Mehrkosten und dadurch bedingte höhere Folgekosten selbst zu tragen.“ (§ 33 Abs. 1 SGB V). Wenn also ein Leistungserbringer (z. B. Sanitätshaus) für die Regelversorgung ohne Sonderwunsch eine „wirtschaftliche Aufzahlung“ verlangt, sollte man sich bei dem Leistungserbringer noch mal erkundigen. Bei Verbraucherzentralen und Krankenkassen kann man sich darüber ebenfalls beraten lassen.

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