Inklusion und was es für Stomaträger bedeutet?
Vielfalt in der Kiste © Gisela Peter/ pixelio.de
Bei der Inklusion, wird die Gleichwertigkeit von Menschen beschrieben, ohne dass dabei Normalität vorausgesetzt wird. Vielmehr ist dabei die Vielfalt normal, also das Vorhandensein von Unterschieden. Jeder Einzelne, wird nicht mehr gezwungen, nicht erreichbare Normen zu erfüllen. Beispiel für Stomaträger, sind Situationen, wo man am liebsten im Erdboden versinken möchte. Z.B. im Kino, alles ist ruhig, und das Stoma macht mit einem deutlich hörbar lautem „pups“, auf uns aufmerksam, man mit schiefen Blicken abgestraft wird, und dann „`tschuldigung sagt, ich habe ein Stoma“ und keiner schaut uns mehr vorwurfsvoll an, weil Alle ja dann Bescheid wissen.
Unvorstellbar? Eher im Gegenteil. Das ist für uns Stomaträger, in der Tat schon durchaus greifbar und längst nicht mehr so abwegig, wie man denkt. Denn sehr viele von uns, leben heute schon ein „normales“ Leben, und erleben ihren Beutel nur sehr selten als eine Einschränkung. An ihnen können wir sehen, welche Grundvoraussetzungen gegeben sein müssen, dass für alle Bauchbeutelträger (Stomaträger/- innen) Inklusion auch gelingt.
Das Thema Stoma ist keines der Tabu-Themen mehr?
Unsere Behinderung ist nicht gleich offensichtlich, denn das Korpus Delikti lässt sich unter unserer Kleidung gut verstecken. Es stellt sich auch niemand mit den Worten hin „ Ja-Hallo erstmal, ich weiß nicht, ob Sie es wußten, aber ich bin der Maddin und hab ein Stoma“. Immer mehr Stomaträger/-innen gehen sehr selbstbewusst und offen mit ihrer Behinderung um. Sie tragen Bikini, zeigen sich am Strand, wodurch der Beutel nur sehr schwer zu verstecken ist. In sozialen Netzwerken wie auf Facebook in der BeuteltierStomaträgergruppe, diskutieren Betroffene unter ihrem realen Namen über das Thema Stoma. Sie beteiligen sich u.a. auch an der Fotoaktion, wie 100 Tage- 100 Momente, die auf einer Idee eben dieser Beuteltiergruppe beruht und Stomaträger/-innen in Alltags-Situationen zeigen. Andere engagieren sich soweit, dass sie einen Verein gründen, wie z.B. den BeuteltierNetzwerk e.V. oder Gründen eine Selbsthilfegruppe wie z.B. die Stoma-Selbsthilfe Braunschweig, um anderen zu helfen und zu zeigen, “ hey“, du bist nicht allein, wir verstehen deine Sorgen, Ängste und Nöte und stehen dir zur Seite.
Man meint immer, es gibt immer noch Vorbehalte oder eine Ablehnung gegenüber dem „Stoma“, weitgefehlt, denn es sind weit weniger Vorbehalte in der Gesellschaft vorhanden, als wir oft vermuten. Die Ängste, dass man durch lautes „pupsen“, oder weil man was riechen und sehen könnte, als Stomaträger/-in geoutet zu werden, sind durchaus verständlich, aber unbegründet. Gut, es gibt Berichte über Ausgrenzung und andere negative Reaktionen, sind es doch eher die Ausnahmen, als die Regel. Ein wichtiger Schritt hin zur Inklusion, ist dass man mit seiner Behinderung offen umgeht. Diesen Schritt kann man durch Ermutigung, sowie der öffentlichen Aufklärung zu einem selbstbewussten Leben, mit dem Beutel auf dem Bauch, unterstützt werden. Will man aber Inklusion ernsthaft umsetzen (was wünschenswert ist), gehört noch viel mehr dazu, als nur öffentliche Aufklärung und Stärkung des selbstbewussten Umgang mit seiner Behinderung.
Voraussetzungen für ein selbstbestimmtes Leben mit einem Stoma
Klar ist eines, ohne unseren Beutel können wir Stomaträger nicht leben. Denn alles hängt von einer guten und zuverlässigen Hilfsmittelversorgung ab, ob ich meine Arbeit wieder aufnehmen, oder wie in meinem Fall, Angeln gehen kann. Es ist ein langer Weg, auf dem auch immer was schief gehen kann, bis ein Stomaträger wieder aktiv am Leben teilnehmen kann. Denn von der Diagnosestellung bis zur Rückkehr in den Alltag, durchlaufen wir Stomaträger mehrere Stationen, die hinterher Einfluss auf die Lebensqualität haben. Die entscheidenden Voraussetzungen für später, werden bereits mit der Stoma-OP geschaffen. Hier ist neben dem handwerklichen Geschick, auch das Verständnis des Chirurgen für die spätere Stoma- Versorgung gefragt. Ein gutes Beispiel von Inklusion in der ärztlichen Versorgung ist, die Umsetzung von praktischen Maßnahmen, sind die Aufnahmen der Empfehlungen zur Stoma-Markierung und der prominenten Stoma- Anlage in die S3-Leitlinie Kolorektales Karzinom (*Zufinden auf S. Seite 40 ab Nr. 7.39 bis 7.43 der S3 Leitlinie).
Stomatherpeuten/-innen in der Klinischen…
Der weitere wichtige Baustein ist bzw. eine qualifizierte Stomatherapie. Sind es doch die Stomatherapeuten, die vor der OP, die Aufklärung übernehmen, wie z.B. das Anzeichnen der optimalen Stomaposition und nach der Operation lernen sie die betroffenen Patienten in der Stoma- Versorgung an, und ebnen den Stomaträgern dadurch den Weg zurück in ein selbstbestimmtes Leben, mit ihrer Behinderung. Aber gerade in der Klinik leidet die Stomatherapie unter Zeitmangel, weil zu viele Stomapatienten auf nur eine Stomatherapeutin treffen. Fragt man Stomaträger, was sie sich rückblickend gewünscht hätten, sagen viele, dass sie bereits vor der Operation sich mehr Informationen und Aufklärung gewünscht hätten. Nicht nur über die Versorgung oder was ein Stoma überhaupt ist, auch über Themen die oftmals schwierig sind wie z.B. wie wirken sich die Folgen der Stomaoperation auf meine Sexualität, oder auf mein weiteres Berufsleben aus.
Um auf solche ganz individuellen Fragen der Stoma- Patienten hinreichend einzugehen, fehlt im Klinikalltag meist die notwendige Zeit, auch hier sehen die Stomatherapeuten/-innen einen Bedarf. Selbst für eine Anleitung in Stomaversorgung, fehlt oftmals nach der Operation aufgrund der kurzen Liegezeiten die notwendige Zeit. Meist wird den Stomapatienten/-innen eine AHB (Anschlussheilbehandlung) empfohlen. In den ersten 3 Wochen um sich zu erholen, neue Kraft tanken und das unter ärztlicher und therapeutischen Betreuung. Sowie weiteren 3 Wochen um sich in der Stoma/- und Hilfsmittelversorgung vertraut zu machen. Nur lehnen viele Betroffene eine AHB leider allzu oft noch ab. Daher ist auch hier, eine intensivere Aufklärung von nöten.
…und in der ambulanten Betreuung!
Ein wichtiger Ansprechpartner bleibt auch nach dem Klinikaufenthalt, der/die Stomatherapeut/-in für uns. Sie passen die Stomaversorgung an, bei Veränderung beispielsweise, bei der Gewichtszunahme, nach überstandener Krankheitan. Sie sind auch da und helfen, wenn Komplikationen wie z.B. Hernie, eine allergische Reaktion auf ein Stomaartikel, die noch Jahre später nach der Stoma- Anlage auftreten können. Durch eben diese ganz individuelle Betreuung durch unsere Stomatherapeuten/-innen, wird es uns Stomaträger/-innen ermöglicht, den Weg zurück in ein selbstbestimmtes Leben zu finden. Daher sollten diese (Stoma-)therapeutischen Angebote ausgebaut und gestärkt werden. Beispielweise im Rahmen von Zertifizierungen sowie in Hilfsmittelverträgen, lassen sich die entsprechenden Grundlagen für schaffen.
Die Versorgung mit Hilfsmittel
Auf dem Weg zur Inklusion, spielt schlussendlich auch die Qualität der Hilfsmittel, und noch dazu eine ganz entscheidende Rolle für uns, ermöglicht sie uns doch erst die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Denn nur mit einer optimalen Stomaversorgung, die auch zuverlässig haftet, die stomaumgebene Haut schützt, und jeder Herausforderung im Alltag gewachsen ist, ganz gleich, ob ich in die Sauna, oder schwimmen gehe, mich anderen sportlichen Aktivitäten hingebe, oder in meinem beruflichen Alltag, den ganzen Tag auf den Beinen stehe.
Stomatherapeuten/innen und Stomaträger/-innen können, zumindest trifft das für Deutschland zu, auf eine Vielfalt an qualitativer und hochwertige Stomaversorgungsartikel zurückgreifen, und so auch oftmals eine schwierige Stoma- Versorgungs- Situation problemlos meistern. Daher darf es zu keinen Einschränkungen im Wahlrecht, und in der Mitsprache, bei der Auswahl von Hilfsmitteln für Betroffene geben. Es müssen weiterhin alle auch tatsächlichen benötigten Hilfsmittel, von den Kassen in vollem Umfang erstattet werden. Schon allein aus diesem Grund ist es richtig, dass Ausschreibungen und die exklusiv Vergabe der Hilfsmittel- Versorgung an einen Billig- Anbieter auch in der Stoma-Versorgung keine Option ist.
Ist man zurück im Alltag, so ist die Selbsthilfe ein weiterer Baustein, die an die Arbeit der Stomatherapeut/-innen anknüpft, eine weitere Orientierung und Hilfe von Betroffenen, für Betroffene bietet. Sei es der gemeinsame Erfahrungsaustausch, dem beantworten von ganz individuellen Fragen, wie z.B. nach dem Schwimmen, Saunieren oder Ernährung, auch die vielen positiven Beispiele Anderer motivieren und geben Selbstvertrauen, schaffen Selbstbewusstsein, mit dem Umgang seiner eigenen Behinderung. Dadurch ist die Selbsthilfe ein wichtiger Baustein zur Inklusion von Stomaträgern geworden.
Das Fazit
„Nur wenn ich zur Toilette gehe, denke ich noch an den Beutel“Dieser Satz ist einer der positivsten Aussagen, die ein Stomaträger/-in über sich selbst machen kann. Prima Inklusion ist gelungen. Damit genau das, alle Stomaträger/-innen, über sich selbst sagen können, sind viele Grundsteine notwendig: die optimale Stoma- Anlage, die individuelle Stomatherapie, eine gute aufzahlungsfreie und ganz individuell angepasste Stoma- Versorgung, sowie der Kontakt zur Selbsthilfe und öffentliche Aufklärung.
Bild Inklusion: ©Carsten Gebhardt,Stoma~Selbsthilfe Braunschweig